Mittwoch, 26. Juni 2013

Vegan Essen gehen - Leipzig I

Leben in Großstädten kann nervenaufreibend, laut und trist, aber auch voller köstlich-süßer Momente sein, wenn man vegane Einkehrmöglichkeiten praktisch vor der Haustür hat. In Leipzig gibt es eine relativ stark entwickelte vegane Restaurantkultur, die von kleinen Bistros, teuren Restaurants, Suppenküchen, Burgerimbissen und verführerischen Cupcake-Manufakturen reicht. In einer der größen Uni-Mensen gibt es überdies täglich mindestens ein veganes Gericht. Nach Berlin dürfte Leipzig daher das vegane Mekka Deutschlands überhaupt sein.
Ich habe längst noch nicht alles ausprobiert, aber ein Restaurant übt immer wieder eine magische Anziehungskraft auf mich aus: das Zest.

Versteckt liegt es im Leipziger Connewitz, kommt von außen als ganz unscheinbare Lokalität daher. Bei schönen Temperaturen kann man draußen Platz nehmen, die Inneneinrichtung selbst ist spartanisch und geradlinig mit schlichten hölzernen Sitzgelegenheiten, doch was einem da auf dem Teller serviert wird, ist einfach immerzu atemberaubend. Allein die optisch unspektakulär gehaltene Speisekarte besticht durch ein wahres Potpourri an exotischen klingenden Zutaten und ungewöhnlichen Kombinationen. Ich gebe es offen zu; bisher gab es immer mindestens einen Bestandteil, der mir vollkommen unbekannt war und den ich ergoogeln musste. *g*
Am Mittag kann man für gewöhnlich neben der abgespeckten Hauptmenü-Version der Abendkarte sich nach Herzenslust Burger mit Seitan, Tempeh oder Tofu, etlichen Toppings, veganem Käse oder einer bunten Saucevielfalt wie z.B. Kaktus-Feigen-Sauce oder Apfel-Habanero zusammenstellen oder Sandwiches genießen; außerdem kann man ein Brunch-Menü aus vielen weiteren Zutatenbausteinen kreieren. Die Suppen- und Salatkarte lockt aktuell unter Anderem mit einer Brennessel-Kreation oder Chicorée-Mizuna-Salat mit Limettensirup, während Ravioli mit Kresse"frischkäse" oder Hummus-Variationen bei den Vorspeisen aufwarten. Und erst recht ist die Hauptkarte mit etwa vierteljährlich wechselnden Gerichten eine wahre Schatzgrube: Rotweintofu mit Fedelini und einer Tapenande aus Feigen und Paranüssen, Braten aus Oliven und Seitan mit tasmanischer Pfeffer-Schokoladensauce, Sojasteak in einer Creme aus Calvados, grünem Pfeffer und Apfel, vegane Blauschimmel-Rosmarin-Käsesauce, Bällchen aus Walnüssen und Tofu, Maisgrießkrapfen mit Seitancrumble und gegrilltem Auberginen - es gibt alles, was das Herz begehrt.
Die Dessertkarte bietet zauberhafte Sorbets, Kuchen, Tartes und Mousse-Kreationen, darunter beispielsweise Pandanus-Crème brûlée oder schokoladiger Sojaquark-Fudge; außerdem sogar diverse Soja-Eissorten mit Saucen und Soja-Schlagsahne. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Getränkekarte mit eisgekühlten Smoothies (z.B. Bananen-Espresso oder Staudensellerie-Erdbeer), alkoholhaltigen und alkoholfreien Cocktails (aus. u.A. Grapefruit, Limette, Kokossirup, Maracujanektar, Kokosmilch usw.) Shakes mit Früchten, Bier/Likör/Wein oder Heißgetränken wie russische Schokolade sowie diverse Kaffee-Spezialitäten (u.A. Cappuccino und Caffé-Moca). Dass ich schwer begeistert bin, dürfte nicht zu übersehen sein.
Vor allem junge Leute und junge Familien scheinen die Hauptkunden zu sein; dementsprechend ist die Stimmung locker und entspannt. Es kann also durchaus vorkommen, dass einer der Gäste plötzlich seine Gitarre auspackt und ein Liedchen anstimmt. ;-)
Die Bedienung ist freundlich, zuvorkommend und ungezwungen; die Toilette befindet sich in einem dunklen Hausflur und ist relativ kalt, dafür aber sauber.

Bei strömendem Regen habe ich mir vor einiger Zeit besagte Krapfen mit einem Espresso-Bananen-Smoothie (samt Zimt, Haselnusssirup etc.) gegönnt - einfach toll! Sehr schön scharfer Seitan mit ordentlich Biss, knusprige Krapfen, exotische Tomätchen und ein Auberginensalat, der selbst mich als ehemaligen Auberginenhasser vollends überzeugen konnte. So viele Aromen, so viele Geschmackskitzel - jeder Bissen war eine kleine Entdeckungsreise für die Zunge.

Wohltuend kühl...
...knusprig-scharf.
Der Smoothie wurde eisgekühlt serviert und lieferte mir die Idee für die Bananen-Espresso-Creme. (Wobei ich ehrlich erwähnen muss, dass meine nicht annähernd an den sahnig-cremigen Geschmack des Original-Smoothies herankam. *seufz*) Die Wartezeit für das Hauptgericht betrug etwa 20 Minuten, was angesichts des aufwendigen Gerichts und des gut gefüllten Restaurants nicht wirklich lang war.

Ich war so angetan, dass ich kurz darauf einen Pekannuss-Kuchen (quasi die amerikanische Verwandte der Walnuss) mit einem Mousse aus Schokolade und Tonkabohnen (sind im Prinzip keine Bohnen, sondern Samen mit vanilleähnlichem Geschmack) sowie marinierten Himbeeren bestellte. Bekommen habe ich ein ungeheuer riesiges haushohes Kuchenstück, das eigentlich glatt als Hauptgericht durchgeht. Böden aus Pekannüssen und - vermutlich - Mandeln, mehrere Lagen Schokomousse mit einer Schicht Sojasahne auf einem schokoladigen Saucenspiegel - nach dieser mächtigen, aber nicht unangenehm süßen Speise konnte ich förmlich nach Hause rollen. Gelohnt hat sich das aber allemal; selten habe ich ein Mousse mit einer so cremigen Konsistenz gegessen und selten hat der optische Eindruck eines Gerichts so sehr beeindruckt; zusätzlich hat es sehr lange satt gehalten.


Eine sahnige Sünde schlechthin.
Einzige Wermutstropfen: Die Gerichte sind - zumindest für mich - relativ preisintensiv; bei Hauptgericht, Smoothie und Trinkgeld lag ich für eine einzige Person bei über 20 Euro. Für  Studentenbörsen zugegebenmaßer einer teures Vergnügen, das man sich leider nicht regelmäßig leisten kann.
Das Zest ist relativ klein und zusätzlich gut besucht, weshalb größere Gruppen lieber reservieren sollten, insbesondere abends. Ich hatte ziemlich viel Glück, denn am Abend war gerade einmal ein einziger Tisch frei.
Diese Punkte sprechen aber meiner Ansicht nach nur dafür, dass man es hier nicht mit einem 0815-Restaurant zu tun hat, sondern hier fantasievolle Köche mit viel Können wirklich gehobene Gerichte zaubern.

Abschließend kann ich diese Perle des Leipziger Südens nur wärmstens weiter empfehlen. Außer dienstags ist das Zest regelmäßig ab 11:00 geöffnet. Solltet ihr also einmal ein Leipzig sein, dann schaut vorbei - ihr werdet es nicht bereuen. :-)

Übrigens: Sollte man nach einem Besuch im Zest wider Erwarten noch etwas Platz im Magen haben, dann empfiehlt sich die Eisdiele Braker's in derselben Straße, die neben veganem Eis auch manchmal Hotdogs und Kuchen anbietet.

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